Eigenmietwert als steuerliche Gleichstellung

Eigenmietwert als steuerliche Gleichstellung

Der Eigenmietwert ist ein Begriff aus dem Schweizer Steuerrecht. Hier werden Mietoder Pachtausgaben geschätzt, die anfallen würden, würde die Immobilie gemietet oder gepachtet werden. Wer in seinem eigenen Haus wohnt, muss den sogenannten Eigen-mietwert als Einkommen versteuern, dies kann aber um Hypothekarzinsen und werterhaltende Ausgaben reduziert werden.

Einkommen versteuern, das man gar nicht erzielt? Das hört sich auf den ersten Blick grotesk an, soll aber für Gerechtigkeit sorgen. Mit dem Eigenmietwert besteuert das Steueramt in der Schweiz Hauseigentümer/-innen, die selbst in ihrer Liegenschaft wohnen. Dazu ist es nicht erforderlich, dass sie ständig in ihren eigenen vier Wänden leben. Aus diesem Grund wird der Eigenmietwert auch auf Zweitwohnungen und Ferienhäuser angewendet.

«Die Idee dahinter ist die steuerliche Gleichbehandlung von Personen, die ein Haus mieten und jenen, welche eines besitzen», sagt Rainer Jöhl, CEO von RE/MAX Switzerland. Vom Eigenmietwert können Hausoder Wohnungsbesitzer/-innen verschiedene Steuerabzüge geltend machen, wie zum Beispiel Hypothekarzinsen und werterhaltende Ausgaben wie Unterhaltsarbeiten, Reparaturen und Renovationen. «Daraus resultiert für die Eigenheimbesitzer unter dem Strich ein steuerliches Scheineinkommen – zumindest, wenn keine höheren Abzüge für werterhaltende Renovationsarbeiten geltend gemacht werden können», erklärt Rainer Jöhl. Weiter sieht Jöhl das Problem, dass aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit sämtlicher Schuldzinsen eine hohe Verschuldung Vorteile bietet. Eigenheimbesitzer/-innen, welche ihre Hypothekarschulden grösstenteils amortisiert haben, werden dadurch indirekt bestraft.

Eigenmietwert als imaginärer Wert

Würde eine Person, die eine Immobilie besitzt, diese an Dritte vermieten statt selber bewohnen, würde ein tatsächlich erzieltes und so auch steuerbares Einkommen entstehen. Der Eigenmietwert richtet sich nach dem Betrag, der als Miete bezahlt werden müsste. Er ist ein fiktiver Wert und basiert auf einer möglichen Miete. Das heisst auf einem theoretischen Einkommen, das man mit seinem Haus oder seiner Wohnung erzielen könnte. «In den meisten Kantonen wird der steuerbare Eigenmietwert für die selbstbewohnte Immobilie reduziert und für die Besteuerung tiefer angesetzt als die tatsächliche Marktmiete der Immobilie. So möchte man dem Verfassungsauftrag der Förderung von Wohneigentum gerecht werden», erläutert Rainer Jöhl. Störend ist der Eigenmietwert zudem in den Fällen, wo das Eigenheim ein wesentlicher Bestandteil der privaten Altersvorsorge war. Jöhl ergänzt, dass in diesen Fällen zwar günstig gewohnt werden kann, aber die Steuerrechnung alles wieder relativiert. Insbesondere für Rentenbezüger/-innen mit einer bescheidenen Rente kann dies dazu führen, dass die Immobilie verkauft werden muss.

Ist der Eigenkapitalanteil aber geringer als 35 Prozent des Immobilienwertes, besteht eine Rückzahlungspflicht: Innerhalb von 15 Jahren oder beziehungsweise bis zum Erreichen des Pensionsalters muss eine Hypothek von maximal 80 Prozent auf zwei Drittel des Immobilienwertes amortisiert werden. Diese Rückzahlung kann direkt erfolgen oder indirekt. Bei Zweiterem wird Geld auf ein Säule-3a-Konto einbezahlt, mit welchem dann bei der Kontoauflösung die Amortisation getätigt wird.

Kantonale Steuerbehörde bestimmt Eigenmietwert

Die Berechnung des Eigenmietwerts legt die zuständige kantonale Steuerbehörde fest. «Die Schätzung der Immobilie beruht hauptsächlich aufgrund der Kriterien wie Wohnfläche, Wohnungsausstattung, Lage, Baujahr und Bauweise», weiss Rainer Jöhl aus Erfahrung. Die Behörde schätzt die Immobilie vor Ort oder vergleicht sie mit ähnlichen Objekten unter Berücksichtigung des örtlichen Mietpreisniveaus. Bei der Berechnung weist sich dieser Grundsatz allerdings als schwierig aus. Da eine selbst genutzte Immobilie nicht auf dem Markt ist, hat sie an sich auch keinen Marktpreis. Nur durch den Vergleich mit ähnlichen Liegenschaften ist es möglich, einen Mietzins zu schätzen.

Gelingt die Abschaffung?

Seit 2016 wird auf dem politischen Parkett intensiv unter dem Titel «Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung» über die Abschaffung des Eigenmietwertes diskutiert. Die ständerätliche Kommission (WAK-S) hat einen Gesetzesentwurf erarbeitet, welcher die Besteuerung von Wohneigentum am Hauptwohnsitz abschaffen will – für Zweitliegenschaften wie Ferienwohnungen müsste der Eigenmietwert weiterhin versteuert werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 25. August 2021 dazu Stellung genommen und drei Änderungsanträge gestellt:

  1. Vollständiger Systemwechsel: auch für Zweitliegenschaften soll der Eigenmietwert wegfallen.
  2. Schuldenabzug: Schuldzinsen müssen weiterhin zum Abzug zugelassen werden, wenn sie der Erzielung eines steuerbaren Einkommens dienen. Der vollständige Verzicht auf den Schuldzinsabzug ist nicht systemkonform.
  3. Energiesparund Umweltabzüge: zur Erreichung der Klimaziele 2050 sollten energetische Sanierungen weiterhin steuerlich bevorzugt werden.

Die Vorlage wurde vom Ständerat am 17. September 2021 mit 20 zu 17 Stimmen und zwei Enthaltungen verabschiedet, obwohl die meisten Kantonsregierungen den Systemwechsel ablehnen. Nun geht die Gesetzesvorlage in den Nationalrat zur Beratung. Politisch ist die Diskussion über den Systemwechsel noch nicht zu Ende geführt. Die Frage ist berechtigt, inwieweit National-, Ständeund Bundesrat je einen gemeinsamen Nenner finden werden.

Gewinner und Verlierer des Systemwechsels

Von einem Systemwechsel profitieren diejenigen Eigenheimbesitzer/-innen, welche ihre Hypotheken vollständig amortisiert haben und keine grossen Unterhaltsarbeiten ausführen. Dazu gehören in erster Linie die Rentnerinnen und Rentner, welche ein Eigenheim besitzen. Zu den Verlierern gehören einmal mehr die Ersterwerber/-innen von Liegenschaften, welche eine hohe Verschuldung auf sich nehmen müssen. Auch Erwerber/-innen von Altliegenschaften werden benach-teiligt, denn Renovationsarbeiten sind steuerlich nicht mehr abzugsfähig. Mit Renovationsarbeiten lassen sich die Einkommenssteuern beträchtlich senken und die Steuerprogression kann vor allem am Ende einer beruflichen Karriere etwas geglättet werden. Auch diese steuerplanerische Massnahme würde in Zukunft wegfallen.

Es gilt also abzuwägen, welche Ziele mit welchen Massnahmen verfolgt werden müssen. Das heutige Regime des Eigenmietwertes bietet viel Rechtssicherheit und es stellt sich die Frage, wie viel Rechtsunsicherheit wir uns in den nächsten Jahren einhandeln wollen.

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